Die kleine Wein-Etiketten-Kunde
In fünf Schritten zum „Etiketten-Experten“
Die Welt der Weine ist riesig und vielfältig. Kein Wunder also, dass man sich als Käufer mitunter von ansprechenden Etiketten beim Weinkauf verleiten lässt. Aber tatsächlich stellen Weinetiketten das Fenster dar, um in das Universum der Reben zu blicken.
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Was verbirgt sich hinter der schönen Welt der Wein-Etiketten?
Wer diese Schilder „lesen“ kann, ist also klar im Vorteil. Wer dann noch weiß, was für skurrile oder auch manchmal verblüffende Fakten hinter den „Visitenkarten“ des Weins stecken, kann den guten Tropfen umso mehr würdigen.
Mit den folgenden Informationen wirst du in fünf Schritten zum „Experten“ und kannst beim Genuss der nächsten Flasche Wein in netter Runde mit interessantem Hintergrundwissen glänzen.
1. Die Geschichte - 6.000 Jahre Weinetikett!
Schon bei den Sumerern vier Jahrtausende vor Christus gab es eine offizielle Beschriftung für den Wein – sie arbeiteten mit Rollsiegeln. Diese Schriftzeichen konnten über einer Lage weichen Tons abgerollt werden und enthüllten so die Herkunft und Sorte. Auch die Griechen und Römer hängten kleine Anhänger mit aufgeschriebenen Informationen an ihre Amphoren. Bis ins Mittelalter hinein wurden die edlen Tropfen mit kleinen Zettelchen versehen. Bei all diesen Methoden bestand natürlich stets die Gefahr des Betrugs. Daher brannten einige Weinerzeuger ihre Daten einfach in den Korken und auch manche Amphore war direkter Datenträger.
Mit der Lithographie – dem Steindruckverfahren – konnten Anfang des 19. Jahrhunderts dann die ersten Etiketten richtig bedruckt werden. Eine englische Erfindung erleichterte dabei die Befestigung der Papiere: Die Flasche in der heute bekannten Walzenform.
Als das älteste bekannte Etikett mit Grafik gilt das Etikett des Schloss Johannisberger aus dem Jahrgang 1822, auf dem der Prachtbau mit seinen umliegenden Weinbergen dargestellt wurde. Bis heute geht es beim Design neben Übersichtlichkeit auch immer um Prestige.
2. Das Herstellungsverfahren - Nur vom Feinsten
Um ganz sicher zu gehen, dass die verpflichtenden Angaben auf dem Weinetikett haltbar und eindeutig sind, wird mit dem Thermotransferverfahren gearbeitet. Dieses wird auch bei der Geldscheinherstellung eingesetzt und garantiert sowohl höchste Präzision als auch extreme Sicherheit vor Fälschung. Zudem gibt es goldene Elemente auf gewissen Etiketten, die mittels Heißfolienprägung aufgetragen werden. Das Etikett erhält durch diese Druckverfahren einen erhöhten Oberflächenglanz und maximale Farbgenauigkeit.
Wie aktuell das Thema ist, konnte man im Dezember 2013 in der Presse verfolgen. Die wertvollsten Weine der Welt wurden anhand gefälschter Etiketten in den Umlauf gebracht. Laut Anklage wurden gefälschte Weine an wohlhabende Sammler im Wert von mehr als 1,3 Millionen Dollar verkauft.
3. Das Weinetikett und das Gesetz
Die EU lässt es sich natürlich nicht nehmen, für rechtliche Ordnung auf den Etiketten zu sorgen. Bestimmte Informationen müssen gut lesbar auf der Vorderseite jeder Weinflasche aufgebracht sein. Die freiwilligen Angaben sind streng getrennt von den verpflichtenden Angaben – auch explizit auf der Flasche und sogar die Schriftgrößen sind vorgegeben.
Zwingend müssen folgende Angaben auf dem Etikett vermerkt sein:
- Qualitätsstufe
- Alkoholgehalt (% vol.)
- Herkunftsangabe (Land, Anbaugebiet)
- Abfüller (Erzeuger des Weins)
- Amtliche Prüfungsnummer oder Loskennzeichnung
- Nennfüllmenge
- bestimmte Allergene und Sulfite
Diese Angaben sollen im gleichen Sichtbereich auftreten, weshalb das Hauptetikett oftmals auf der Rückseite der Flasche landet.
Ebenso bestehen nationale Weingesetze und Weinrechte in der EU. Was die Union nicht regelt, möchten die Länder schließlich selbst in der Hand behalten. In einigen Ländern ist es zum Beispiel vorgeschrieben, auch auf dem Export-Wein bestimmte Angaben in der eigenen Landessprache aufzudrucken.
4. Die Weinhersteller und ihr Spielraum
Das Etikett dient natürlich auch beim Wein zur Produktwerbung. So ist es nicht verwunderlich, dass das schön gestaltete vordere Etikett in vielen Fällen tatsächlich nicht das rechtlich vorgeschriebene Hauptetikett darstellt. Das befindet sich nämlich gerne mit allen Angaben auf der Rückseite der Flasche! Und so können die Winzer auf der Vorderseite mit wenigen Elementen wie dem Erzeugernamen, der Rebsorte sowie der Geschmacksrichtung ihren Wein repräsentativ darstellen. Der Name des Weins selbst ist übrigens gar nicht auf dem Etikett vorgeschrieben.
Zu den optionalen Angaben auf den Etiketten gehören:
- Jahrgang
- Rebsorte
- Geschmacksangabe (trocken, lieblich)
- Weinort und Lage
- Trinktemperatur
Nehmen wir zum Beispiel die Rebsorte, die nicht immer auf den Etiketten vermerkt ist. In einigen europäischen Weinbauländern wird gerne die Herkunftsbezeichnung hervorgehoben, so dass die Sortenbezeichnung oft gänzlich dahinter verschwindet. In vielen Gegenden Frankreichs - wie Bordeaux, Burgund und Côte-du-Rhone - werden die verwendeten Rebsorten überhaupt nicht aufgeführt. Bei den Franzosen gilt es als nebensächlich, ob der Wein aus Cabernet Sauvignon oder Merlot gekeltert wird. Wichtiger ist, von welchem Chateau oder von welcher Domaine er stammt, denn das gibt Aufschluss, auf welcher Art Weinberg die Trauben reiften. Ähnliches gilt auch für Italien. Hier weiß der Fachmann, dass ein Barolo aus Nebbiolo-Trauben und ein Chianti hauptsächlich aus Sangiovese entsteht. Wozu also auf das Etikett schreiben?
Obwohl die deutschen Winzer – ebenso wie ihre italienischen oder französischen Kollegen – ein Interesse daran haben, ihre individuellen Beschreibungen und Empfehlungen auf dem Etikett unterzubringen, plädieren sie seit geraumer Zeit für übersichtlichere Etiketten. In allen deutschen Anbaugebieten gab es bereits Initiativen, die sich eine klarere Optik wünschten.
Da nicht gesetzlich geregelt ist, wie viele Etiketten eine Flasche insgesamt zieren dürfen, wird im Zweifel noch ein weiteres aufgeklebt. Besonders bei Designerflaschen finden sich zunehmend viele kleine Etiketten – sehr zum Leidwesen der Sammler.
5. Alle Jahre wieder
Jedes Jahr bringt einen neuen Wein. Die Jahrgangsangabe ist daher eine zwar nicht vorgeschriebene, aber durchaus wichtige Zusatzinformation auf einem Weinetikett. Damit weiß man, in welchem Jahr die Trauben für diesen Wein gewachsen sind, auch wenn der Wein erst in den Folgejahren auf den Markt kommt. Je nach Herkunftsland muss der Wein zu 75 oder 100 Prozent aus Trauben dieses Jahrgangs erzeugt worden sein. Weine ohne Jahrgangsangabe können somit aus Partien verschiedener Erntejahre verschnitten werden. Dies sagt allerdings nicht zwangsläufig etwas über die Qualität des Weines aus.
Für die Einschätzung der Qualität – vor allem bei Spitzenweinen – ist es dennoch eine wichtige Information. Dieselbe Lage und dieselbe Traubensorte sind keine Garanten, dass alle Jahre wieder eine gleichbleibende Qualität heranwächst, denn für den guten Geschmack ist das Wetter ausschlaggebend. Das schlägt sich direkt auf die Preise und die mögliche Wertsteigerung der Weine nieder. Also: Wenn du dich ein wenig auskennst, lagerst du die Jahrgänge ein, die besonders gut waren.